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GEWALT
Stadt

BEISPIELSTADT UND HOFFNUNGSPROJEKT: NAIROBI

Gewalt in Nairobi

Flash ist Pflicht!
Film: Menschenwürdig leben in Nairobi (c) MISEREOR

In einer so großen Stadt wie Nairobi, in der über die Hälfte der Menschen in den Armenvierteln (Slums) leben, scheinen Konflikte nicht vermeidbar – das ist bei uns in Deutschland ja auch nicht anders. Es ist jedoch bei Weitem nicht so, dass hinter jeder Ecke Gewalt droht; im Großen und Ganzen gelingt das Zusammenleben der verschiedenen Volksstämme und Religionen trotz der Enge und der Armut beeindruckend gut – diese „Frohe Botschaft“ dürfen wir euch an dieser Stelle unbedingt auch weiter geben.

 

Weltweite Bestürzung jedoch lösten die Nachrichten über die gewaltvollen Konflikte im Zusammenhang mit den Wahlen im Jahr 2007 aus. Und bis heute leben viele Teile der Bevölkerung in Angst und Sorge. Was war passiert?

 

Die 2007er Wahlen haben verschiedene Volksstämme, die zuvor weitestgehend  friedlich miteinander gelebt haben, gegeneinander aufgebracht. Grund: bei der Auszählung der Stimmen erhärtete sich der Verdacht der Wahlmanipulation durch den amtierenden Präsidenten – aus jeweiligem Eigeninteresse schürten die Politiker diese Unterstellung oder widersprachen ihr vehement und hetzten so gezielt (!) die Volksgruppen gegeneinander auf. Einzelne Gruppen wurden für den blutigen Kampf von den Politikern bezahlt, andere wurden sogar mit Waffen und Macheten ausgestattet.

 

Das alles hatte für die Bevölkerung Nairobis traurige, aber absehbare Folgen: von einem Tag auf den anderen bekämpften sich ehemalige Nachbarn auf brutalste Weise. Die Welle der Gewalt war nicht mehr aufzuhalten.

 

Mindestens 300 000 Menschen mussten fliehen, um der Bedrohung zu entkommen,  und verloren so ihre Heimat. Mehr als 1000 Menschen wurden sogar bei den Unruhen getötet.

 

Lest hierzu auch unbedingt die beiden Klartexte von Reagan und Snagitu

 

Bis heute flammen die gewaltsamen Handlungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen immer wieder auf. Frauen werden vergewaltigt, der illegale Waffenbesitz versetzt die Bewohner Nairobis in ständige Angst vor Selbstjustiz. 

 

Im August 2010 wurde in Kenia über eine neue Verfassung abgestimmt. Erfreulicherweise ist diese Wahl - allen Befürchtungen zum Trotz - friedlich verlaufen. Der Grund hierfür liegt mit Sicherheit auch darin, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und die Stimmauszählung dieses Mal transparenter durchgeführt hat. Sie konnte von der Bevölkerung sogar im Rundfunk verfolgt werden.

 

Trotzdem bleibt für die nächsten Wahlen im Winter 2012 die Sorge, erneut in blutige Konflikte zurück zu fallen. Von daher ist es für die Menschen in Nairobi lebensnotwendig, aus den gewalttätigen Auseinandersetzungen der Vergangenheit zu lernen und die angestauten Aggressionen zwischen den verfeindeten Bevölkerungsgruppen gemeinsam friedvoll zu überwinden. 

 

Hilfe durch MISEREOR

Fussball gegen Gewalt
Fussball gegen Gewalt © KNA-Bild MISEREOR

Ein Hauptziel des Kutoka-Netzwerkes, einem MISEREOR-Projektpartner, ist die Stadtteilentwicklung vor Ort, bei der die BewohnerInnen eng in die Entscheidungen und in den Aufbau mit eingebunden sind. Ganz praktisch werden zum Beispiel Toiletten gebaut, die Stromversorgung gesichert oder das Abwasser abgeleitet. Mit Zeitungen und Radiosendungen informieren die Organisationen über die jeweiligen Maßnahmen und rufen die Bevölkerung so zur aktiven Mitarbeit auf.

 

Zusammen mit der Nichtregierungs-Organisation KESHO engagiert sich das Kutoka-Netzwerk aber auch für die Förderung der Friedens- und Konfliktarbeit in den Armenvierteln.

 

Durch Seminare, Workshops und Diskussionen sollen die Beziehung der verfeindeten Bevölkerungsgruppen wieder versöhnt und stabilisiert werden. Dabei steht die Aufarbeitung von Traumata ebenso im Mittelpunkt der Arbeit wie auch die zukünftige Prävention von Gewalt in jedweder Form.

 

Für Jugendliche dieser unterschiedlichen Gruppen werden gemeinsame sportliche und kulturelle Aktionen gestartet, damit sie einander besser kennen und respektieren lernen. So wird der Zusammenhalt der Gruppen unterstützt und gewaltsamen Konflikten vorgebeugt. Lest hierzu auch unbedingt die Fußball-Reportage: „James zeigt Gewalt die Rote Karte!“ 

 

Ihr wollt die Menschen in Nairobi auf ihrem Weg in eine friedvolle Zukunft begleiten?

 

Eure Spenden aus Deutschland können der wichtigen Friedensarbeit des Kutoka-Netzwerkes Flügel verleihen. Wir sagen DANKE für eure eigenen oder gesammelten Spenden.

Überweist diese bitte an folgende Bankverbindung – MISEREOR leitet eure Spenden dann nach Nairobi weiter:

 

MISEREOR e.V.

Kontonummer 10 10 10

Pax-Bank eG

BLZ 370 601 93

Kennwort: P14111 – Nairobi

 

  • Ein Blick auf Kenia

    Landkarte Kambodscha
    Karte: Munzinger

    Kenia steht für das typische Afrika: Ein Land weiter Savannen, voller Elefanten, Giraffen und Zebras, und Heimat ursprünglicher Volksstämme. Zugleich ist Kenia ein wichtiges Handelszentrum Ostafrikas. Das Land hat rund 40 Millionen Einwohner; etwa 70 % sind Christen. Die Bevölkerung gliedert sich in rund 40 ethnische Gruppen. Die Idee vom „einen Kenia“ ist unter den Kenianierinnen und Kenianern erst im Werden: Die breite Zustimmung zur neuen Verfassung im August 2010 lässt künftig auf mehr Eintracht hoffen. Die Hauptstadt Kenias ist die quirlige Metropole Nairobi. Auf rund 1.600 Metern über dem Meeresspiegel errichtet, zählt sie zu den höchst gelegenen Hauptstädten Afrikas und hat ein angenehmes Höhenklima.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Nairobi – eine Weltstadt

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Geschätzte dreieinhalb Millionen Menschen leben in Nairobi – so viele wie in Berlin, allerdings in sehr unterschiedlichen Verhältnissen. Nairobi hat zwei Gesichter. Zum einen ist es eine reiche Weltstadt mit einer beeindruckenden Skyline, modernen Hochhäusern und einer geschäftigen City, in der viele Banken und Firmen ihren Sitz haben. In Nairobi sind auch die Vereinten Nationen und weitere internationale Organisationen und Hilfswerke vertreten. Namhafte Hotels und hervorragende Restaurants finden sich in der Metropole ebenfalls. Freilich bleiben die wohlhabenden Kenianer und Ausländer dort unter sich.

     

    Text: Uta Jungmann 

  • Nairobi – eine Stadt der Armen

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Nairobi ist zum anderen eine Armenstadt: Mehr als die Hälfte seiner Einwohner drängen sich in zahlreichen Elendsvierteln, die nur 5% der Fläche aller Wohngebiete Nairobis ausmachen. Ungefähr zwei Millionen Menschen leben dort. Viele von ihnen kamen vom überbevölkerten Land in die Stadt: Auf der Suche nach Arbeit, mit der sie ihre Familien ernähren können. Da normale Wohnungen unerschwinglich sind, bleibt ihnen nur ein Raum im Armenviertel – etwa in Kibera, dem größten Elendsquartier mit alleine fast einer Million Menschen. Nicht nur die vom Land Kommenden ließen die Armenviertel auf solche Größen anwachsen. Viele sind hier schon in zweiter und dritter Generation, und auch ihre Kinder werden sich wohl wieder einen neuen Platz in Kibera, Korogocho, Huruma oder Mathare suchen. All diese Armenviertel sind geprägt von kleinen Handwerksbetrieben, von Handel und Kleinindustrie; hier haben sich viele Sozialeinrichtungen entwickelt, und auch viele Kirchen und Beträume aller Konfessionen entstanden in harter Arbeit.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Gestrandete Hoffnungen

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Die Lebensbedingungen sind hier jedoch alles andere als menschenwürdig: Hütten aus Lehm, Holz, Abfallmaterialien und Wellblech, eng an eng gebaut, kein Strom, kein Grün, dafür modrige Abwässer in den Gassen. Oft sind die kargen Hütten im Besitz so genannter Slumlords, an die die Bewohner Miete zahlen müssen. Mehr als einen Raum können sich die meisten nicht leisten, und schon gar nicht den Umzug in eine bessere Wohngegend. Die Wohnungen sind fast alle überbelegt, die engen Zugangswege verwandeln sich bei Regen in Morast, das Wasser muss teuer gekauft und hertransportiert werden und die Toiletten sind unzumutbar – wenn es überhaupt welche gibt. Mit Blick auf die elenden Umstände drängt sich Außenstehenden schnell die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit in der Stadt auf. Und manch christlicher Beobachter fragt sich zugleich, ob Gott all das nicht sieht. „Vielleicht ist Gott krank“, hat auch Alex Zanotelli mit Blick darauf überlegt. Bis kurz nach der Jahrtausendwende prägte der Pater des Comboni-Ordens mit seinem Glaubensmut und seinen Initiativen nicht nur die St. John Kirchengemeinde, sondern das ganze Armenviertel Korogocho mit seinen etwa 120.000 Einwohnern. Er sah die Elendsquartiere auch als Orte der Hoffnung und setzte auf den Lebensmut ihrer Bewohner, um mit ihnen gemeinsam die Probleme in ihrem Viertel anzugehen.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Klassengesellschaft

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Angesichts der schwierigen Bedingungen bleiben jedoch manche auf der Strecke. Sie halten das Leben im Elend nicht mehr aus, flüchten sich in Drogen, schnüffeln Klebstoff, wandern mit verklärtem Blick umher und sind ganz unten angekommen. Denn auch im Armenviertel gibt es soziale Klassen: Die Oberschicht bilden jene, denen die Metzgereien, Läden und Bars gehören. Zur Mittelschicht gehören die, die auch woanders leben könnten, aber dort bleiben, weil es billiger ist. Zur dritten und weitaus größten Schicht gehören die Armen in den unzähligen Hütten. Trotz der großen Unterschiede in Herkunft, Glauben und Besitz leben die meisten in der großen Enge friedlich zusammen – die Stadt zwingt zur Toleranz und zum Umgang miteinander. Manche sehen jedoch keinen anderen Weg zum Überleben als kriminelle Gewalt, von Diebstahl bis hin zu Raubmord. Die Armut kann auch ein Nährboden für politisch motivierte Gewalt sein, die interessierte Kräfte oft leicht zu entfesseln wissen.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Politische Gewalt

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Vor allem junge Männer sind mitunter gewaltbereit: Ohne Aussicht auf einen Job lassen sie sich in ihren Gangs von den politisch Mächtigen leicht aufhetzen. Wie nach den Präsidentschaftswahlen Ende 2007: Amtsinhaber Mwai Kibaki, von der Volksgruppe der Kikuyu, hatte sich zum Sieger erklärt – mit gefälschten Ergebnissen, wird gemunkelt. Die Parteigänger von Oppositionsführer Raila Odinga, einem Luo, fühlten sich um den Sieg gebracht. Bei den folgenden Unruhen gab es in Kenia 1.133 Tote. Leute wie Lilian Awor, die als Angehörige der Luo zur Minderheit in einem Kikuyu-Viertel gehörte, wurden vertrieben. Ihr Ehemann wurde erschlagen, ihr Hab und Gut verbrannt. Heute lebt Lilian in einer winzigen Hütte im Luo-Gebiet des Slums. Mit Hilfsjobs bekommt die Witwe kaum die rund acht Euro Miete zusammen und muss Nahrung für ihre fünf Kinder erbetteln.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Hilflose Vertriebene

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Auch wenn stets den anderen die Schuld zugewiesen wird – unter der Gewalt mussten beide Seiten gleichermaßen leiden: Händler Karuga Mwangi etwa ist ein Kikuyu, der in einem Luo-Viertel gelebt hat. Dort hatte er ein Wohn- und Geschäftshaus mit einem Laden für Baustoffe, einer Bar und vermieteten Zimmern: Daraus wurde auch er mit seiner Familie vertrieben. Es war damals sinnlos, nach der Polizei zu rufen: „Die waren in sich so zerstritten wie das ganze Volk“, betont Mwangi. Gebrannt hat sein Haus zwar nicht, aber ein paar Luo haben darin eine Weile mietfrei gewohnt und das Innere des Hauses verwüstet, auf dessen Dach er steht: Für die Schäden kommt keiner auf. Nicht einmal staatliche Kredithilfen gibt es für Händler Mwangi, damit er sein Haus reparieren kann.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Zerstörtes Vertrauen

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Die Unruhen enden im Frühjahr 2008, als sich Odinga und Kibaki auf eine Große Koalition in der Regierung verständigt haben. Zurück geblieben sind tiefe Gräben zwischen den Volksstämmen. Noch immer wird untersucht, wer die Scharfmacher und ihre Handlanger bei den wochenlangen Gewalthandlungen waren, die Lilian Awor und Händler Mwangi ihre Existenz gekostet haben. Zugleich sitzt das Trauma tief: Händler Mwangi traut sich bis heute nicht, wieder in Korogocho zu leben. Der früher erfolgreiche Geschäftsmann wohnt jetzt auf seinem Stück Land am Stadtrand von Nairobi, wo er sich in einer Wellblech-Hütte ohne Fenster eine einfache Küche eingerichtet hat.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Menschliche Sortieranlage

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Rund 3.000 Leute sortieren Müll auf der Halde Dandora. Sie ist eine der größten Halden Afrikas und die gewaltigste in Nairobi. Jeden Tag kommen rund 2.000 Tonnen Müll an. Die Ärmsten der Stadt können durch die Auslese von Wiederverwertbarem etwa zwei Euro am Tag in dieser riesigen, menschlichen Sortieranlage verdienen. Doch die Kippe mit den giftigen Dämpfen macht die Arbeiter krank, und ebenfalls viele Leute im benachbarten Korogocho sowie in anderen Elendsvierteln. Die Kinder haben hohe Bleiwerte im Blut, chronische Bronchitis und Asthma kommen hinzu. Aber der Qualm verjagt nicht einmal die Marabus und die Schweine, die im Müll nach etwas zum Fressen wühlen. Die Menschen scheinen in den Müllbergen zu verschwinden, wenn sie sich bücken, um Verwertbares aus dem Abfall zu klauben.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Kinder ohne Kindheit

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Auch die Kinderarmut ist groß: Als Spielzeug haben viele bestenfalls einen alten Reifen. Zur Schule gehen manche Kinder gar nicht oder nur selten, obwohl acht Jahre Primarschule in Kenia frei sind. Sie müssen Geld verdienen, damit ihre Familien überleben können. Zugleich gibt es in Nairobi geschätzte 60.000 Straßenkinder. Manche Eltern sind tot oder im Gefängnis. Andere haben ihre Kinder auch auf die Straße geschickt, weil sie kein Geld haben, um Essen und Kleider für ihren Nachwuchs zu kaufen. Auf sich gestellt, schließen die Kinder sich in Banden zusammen: Sie schlagen sich mit Gelegenheitsjobs, Betteln und Stehlen durch, sind meist unterernährt und leiden an Krankheiten. Staatliche Hilfen gibt es für sie kaum.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Teures Wasser

    © KNA-Bild/MISEREOR
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    Wasser ist ein kostbares Gut in Kenia. Rund ein Drittel der städtischen Bevölkerung wird nicht mit sauberem Trinkwasser versorgt. In Korogocho hat kaum eine Hütte einen Anschluss an die Leitungen. Sauberes Wasser muss teuer an Wasserhäuschen bezahlt werden. Noch mehr Grundlegendes fehlt hier, etwa Strom und eine vernünftige Kanalisation; eine Latrine müssen sich bis zu 50 Leute teilen: Schon lange behelfen sich die Menschen deshalb mit „Fliegenden Toiletten“ – Plastiktüten, in denen die Notdurft verrichtet wird. Diese landen dann vor Nachbars Haustür.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Blick ins Elendsviertel

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    In den Siedlungen gibt es nach Einbruch der Dunkelheit nur wenig Sicherheit auf den Straßen. Polizisten sieht man kaum. Frauen müssen Vergewaltigungen fürchten. Hart sind daher die Motive, mit denen Jugendliche ihr Viertel auf einer Schulmauer in Korogocho dargestellt haben: Rechts liegt ein Baby in einer Öllache, unten ragt eine Faust mit einem langen Messer empor. Auch den Jugendlichen fällt es schwer, an die Würde des Menschen zu glauben, wenn ihre Lebensumstände so menschenunwürdig sind. Doch die wenigsten von ihnen werden aus dieser Umgebung herauskommen. Also gilt es, an den Lebensumständen im Wohngebiet zu arbeiten. Im Netzwerk mit seinen Partnern versucht MISEREOR deshalb, die verschiedenen sozialen Brandherde anzugehen und durch eine Verbesserung der Lebensbedingungen allen ein gutes Leben in der Stadt zu ermöglichen.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Verbesserung der Siedlungen

    © KNA-Bild/MISEREOR
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    Seit vielen Jahren engagieren sich die Comboni-Missionare mit ihren Kirchengemeinden für eine selbstbestimmte Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort – mit Erfolg: Gemeinsam konnten sie durchsetzen, den Staat dafür in die Pflicht zu nehmen: Gelder des Schuldenerlasses aus Italien werden jetzt für den Bau von Infrastruktur in den Armenvierteln eingesetzt, vor allem in Korogocho. Dass dies auch im Sinne der dort Wohnenden umgesetzt wird, dafür sorgt ein Bewohnerkomitee, welches über alle Maßnahmen mitentscheidet – wie es im Abkommen zur Entschuldung festgelegt wurde. Mit aktiver Beteiligung der Bewohner wurde bereits eine geteerte Hauptstraße in Korogocho angelegt. Für die Menschen ist diese Straße der erste Schritt hin zu festen Fahrwegen, Müllsammelstellen, mehr Sanitäranlagen – und zu Häusern, die wirklich ein Zuhause bieten.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Frieden unter Nachbarn schaffen

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Seit Ende der politischen Unruhen im Frühjahr 2008 gibt es zudem an verschiedenen Stellen in den Elendsvierteln Bemühungen, wieder Frieden zu schaffen. Diese spontanen Initiativen stützten sich vor allem auf die Arbeit verschiedener MISEREOR-Partner und der Kirchen vor Ort und nennen sich Akiba Mashinani – in Korogocho sind sie bekannt als AMKO (Akiba Mashinani Korogocho). Ähnlich wie in einem Gemeinderat kommen dabei in allen Vierteln Angehörige der verschiedenen Volksgruppen zusammen. Gemeinsam überlegen sie, was ihnen für ein Leben in Würde fehlt: mehr Toiletten, Beihilfen für Schüler, bessere Verdienstmöglichkeiten. Im Dachausschuss der Komitees beraten sie zudem Fragen, die die ganze Siedlung betreffen. Die Sitzungen von AMKO werden von Gemeinwesen-Beratern des MISEREOR-Partners Kesho begleitet und finanziell unterstützt. „Seitdem wir zusammen arbeiten, heilen die Wunden. Auf dem Markt kaufen die einen Leute wieder bei den anderen ein und kommen einander schneller zu Hilfe, wenn es ein Problem gibt“, lobt Joyce Mwikali, die Vorsitzende des AMKO-Rates.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Nachbarschaftshilfe

    © KNA-Bild/MISEREOR
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    Die AMKO-Mitglieder kümmern sich auch um die Binnenvertriebenen im Elendsviertel. Wie Consolata Hella: Die 57-jährige Witwe steht Lilian Awor bei. „Ich kann ihr kein Geld geben“, sagt Consolata, eine Altkleider-Händlerin. „Aber ich kann ihr deutlich machen, dass ihr Leben als Witwe nicht zu Ende ist.“ Zugleich geht ihre Gruppe auch handfeste Dinge an: Etwa, dass ein offener Kanalschacht versiegelt wird, in dem immer wieder Leute ertrunken sind. Im Recht geschult, haben AMKO-Vertreter ihren Gruppen auch die Inhalte der neuen Verfassung vermittelt: Die Staatsordnung, der zwei Drittel der Bevölkerung im August 2010 zugestimmt haben, gilt als Eckstein für den Friedensschluss nach der Gewaltkrise.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Im Netzwerk der Partner

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Katholische Kirchengemeinden und katholische Laiengruppen in den Armenvierteln haben sich seit acht Jahren im KUTOKA-Netzwerk zusammengefunden. KUTOKA heißt Exodus, Auszug oder Ausgang, und spielt damit auf die Ausgrenzung der hier lebenden Menschen an und auf den erfolgreichen Kampf gegen all die Versuche, sie immer wieder zu vertreiben. Dieses Netzwerk mit seinen etwa 700 Aktiven hat auch den Boden bereitet für die Friedensinitiativen und geht selbst Not und Gewalt auf verschiedenen Ebenen an: Zum einen mit Aktivitäten, bei denen die Bewohner sportlich, musikalisch, sozial und politisch tätig werden können. Zum anderen spricht das Netzwerk in seiner Lobbyarbeit besonders drängende Probleme an, wie die Umweltbelastung durch die Müllkippen, fehlende Schulen, mangelnde Wasserversorgung und Gesundheitsprobleme. Es bringt die Vertreter von Stadtteilinitiativen ins Gespräch mit der Stadt und den Ministerien, und setzt sich dafür ein, dass sie mehr Mitbestimmungsrechte erhalten.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Orte zum Wachsen

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Viele Aktivitäten des Netzwerks gehen dabei vom Gemeindezentrum St. John’s in Korogocho aus, das die Comboni-Missionare – von Father Alex bis hin zu Father John – geprägt haben: Zum Zentrum gehören eine Schule, ein als Kirche genutztes Amphitheater, eine Bücherei und zwei Sportplätze. Vor allem die Schule ist für die Jüngeren ein Ort zum Wachsen: Immer mehr von ihnen können an weiterführende Schulen wechseln. In der Nähe gibt es eine Anlaufstelle für Straßenkinder, dort bekommen sie Essen und werden in kleinen Klassen für die Schule fit gemacht. Kirchliche Sozialarbeiter versuchen, sie wieder mit ihren Familien zusammen zu bringen oder Pflegefamilien zu finden. Überdies verbünden sich die Erwachsenen in der Pfarrei St. John auch zu Kleinen Christlichen Gemeinschaften: Sie leisten Besuchsdienste bei Kranken, bringen ihnen Nahrung und kommen zu Gottesdiensten in deren Hütten zusammen.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Frauenpower

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Mit mehreren Initiativen schafft das KUTOKA-Netzwerk auch neue Jobs für die Bewohner der Elendsviertel: Zum Beispiel mit der selbst verwalteten Handwerker-Kooperative Bega Kwa Bega. Diese bietet gerade Frauen berufliche Alternativen zu Prostitution und Müllsammeln. Die 39-jährige Anne Nduku gehört zu den Batikerinnen dort. Auch wenn es das Geld nicht regelmäßig, sondern nur nach Fertigstellung eines großen Auftrags gibt: Es reicht, um das Essen für die Familie sowie die Schuluniform für die Kinder zu bezahlen. „Doch fast noch mehr wert ist es, in diesem schönen Hof zu arbeiten und acht Stunden am Tag weg vom Dreck im Viertel zu sein“, schwärmt Anne. „Hier können wir Frauen uns bereden, wenn uns Sorgen in der Familie plagen.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Jeder Job für die Familie

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Reagan Mwangi jobbt in der Holz- und Knochenschnitzer-Werkstatt der Kooperative. Neben der Schule lernt er, wie man aus Tierknochen Anhänger für Ketten schnitzt und aus Holz Kreuze fräst. Der 16-Jährige fühlt sich in der Werkstatt sicher. Nach einer schlimmen Erfahrung ist das wichtig für ihn: Auch seine Familie wurde aus ihrem Haus vertrieben. „Das tat weh, denn vorher waren die Nachbarn enge Freunde von uns“, sagt Reagan. „Ein paar Luo sind zwar meine Freunde geblieben, aber tief in meinem Herzen komme ich nicht darüber hinweg, was sie mir angetan haben.“ Reagan hofft, dass sich solche Gewalt nie wiederholt. Zugleich wünscht er sich, später bei den Schnitzern einen festen Platz zu finden. „Aber wir Jugendlichen in Korogocho nehmen jeden Job an, mit dem wir unseren Familien helfen können“, fügt er hinzu.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Volltreffer Sport

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Das KUTOKA-Netzwerk macht auch Angebote zur Freizeitgestaltung, vor allem für Jugendliche: Die Kirche hat Trainingsgruppen für eine Vielzahl von Sportarten gegründet. In St. John haben sie dafür ehrenamtliche Trainer gefunden. Zugleich sponsern die Gemeinden die Reisekosten ihrer Teams, wenn diese in höheren Ligen in ganz Kenia spielen. Beim Sport mitmachen darf jeder, der sich zugleich regelmäßig in der Gemeinde engagiert, etwa bei Säuberungsaktionen hilft oder Kinder betreut. So soll der Sport fürs Leben trainieren, die Gemeinschaft stärken und sozialen Halt bieten.

     

    Text: Uta Jungmann 

  • Fußball für alle

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Die Jungs begeistern sich für Fußball: Ihre Mannschaft St. John ist der ganze Stolz der Schule. Zugleich trainiert auf deren Platz noch eine zweite Mannschaft, das Team „Brotherhood“: Jugendliche, die bereits auf die schiefe Bahn geraten sind. Gegründet wurde das Team von Trainer James Wanjiru, einem Sicherheitsberater und Textilhändler mit Banden-Vergangenheit. Er hat das Team in Erinnerung an seine sieben Freunde aufgestellt, die erschossen wurden. „Kaum einer hat länger als fünf Jahre in der Kriminalität überlebt“, sagt James, der zurück zu seiner Kirchengemeinde gefunden hat. In der Brotherhood-Mannschaft und beim regelmäßigen Training sollen seine Spieler Teamgeist lernen, auch Respekt vor anderen und Disziplin.

     

    Text: Uta Jungmann

  • Kicken für den Aufstieg

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Wer sich im Brotherhood-Team bewährt, mit dem Stehlen aufhört und soziales Engagement zeigt, steigt nach einiger Zeit in das Schulteam von St. John auf. Dort sind die Neuzugänge willkommen: „Ich sage der Schulmannschaft, dass die anderen ihre Brüder sind, und wir sie nicht draußen lassen können“, unterstreicht Gemeinde-Pater John Webootsa, der zugleich der Koordinator des KUTOKA-Netzwerks ist. Er setzt sich für die Jungen ein, auch wenn sein Vertrauen in die Brotherhood-Spieler hin und wieder enttäuscht wird: Etwa, wenn ein Junge beim Stehlen erwischt wird, für den sich Pater John bei der Polizei verbürgt hatte. „Ich tröste mich damit, dass wir nicht alle retten können“, sagt er. „Wir können es nur immer wieder versuchen.“

     

    Text: Uta Jungmann 

  • Würde gewinnen

    © KNA-Bild/MISEREOR
    © KNA-Bild/MISEREOR

    Das Vertrauen von Pater John und seiner Gemeinde wird oft auch belohnt, wie das Beispiel von Peter Gogo zeigt, dem Kapitän im Fußball-Team. Auch er hat bei Brotherhood begonnen. Er fand in seiner Kirchengemeinde eine neue Heimat und betreibt mittlerweile auch den Schulkiosk. Wie bei ihm setzt das Netzwerk bei anderen Jugendlichen in Korogocho alles daran, damit gerade die jungen Leute hier im Viertel eine Zukunft sehen und sich nicht aufgeben. Sie sollen Freundinnen und Freude finden und sich ihre Würde von den Umständen nicht nehmen lassen. Oder, um es auf die Eingangsfrage zu übertragen: Wenn Gott wirklich krank ist, versuchen Pater John und das KUTOKA-Netz alles, damit Gott wieder genesen kann und die Hoffnung die Menschen hier trägt.

     

    Text: Uta Jungmann

Das Fotoalbum zum Download

Bilderreihe_Kenia.pdf

3.9 M