AKTIONENSPIRI-IMPULSESTÄDTETHEMENFASTEN-TIPPSKLARTEXT
KULTUR
Stadt

BEISPIELSTADT UND HOFFNUNGSPROJEKT: MEDELLIN

Medellin?

Stadt, Rand, Schluss in Medellin?

Medellin nachts mit Kabelmetro
Medellin nachts mit Kabelmetro

Medellin ist die zweitgrößte Stadt Kolumbiens. In dieser Stadt aufzuwachsen, ist nicht einfach: es herrscht seit Jahrzehnten ein Bürgerkrieg in Kolumbien. Der Lebensweg vieler Jugendlichen ist durch Alltagsgewalt und durch den Zwang zum Militärdienst vorgeschrieben. Medellin ist geprägt von Bandenkriminalität und das Armutsgefälle zwischen den reichen Stadtteilen und den „barrios populares“, den Armenvierteln, ist groß.

 

Ohne Frage: Für viele Jugendliche in Medellin bedeutet das Leben in ihrer Stadt „ein Leben am Rand“ und mit ihren Wünschen ist oft ziemlich schnell Schluss.

 

 

Was geht?

Was geht ab in Medellin?

"In mein Stadtviertel kehrt die Gewalt nicht zurück!"
"In mein Stadtviertel kehrt die Gewalt nicht zurück!"

Sascha Klein schreibt uns im Mai 2010 aus Medellin: „Fakt ist, dass es im Moment in Medellin wieder viel unruhiger geworden ist und die Gewalt wieder stark angestiegen ist. Mehrere Freunde meiner Freunde wurden in den letzten drei Wochen angeschossen oder erschossen.

 

Ich liebe diese Stadt, dieses Land und die Menschen mit ihrer einzigartigen Herzlichkeit und lebensfrohen Weise, den Tag zu leben, aber man muss auch die Realität abseits dieser Menschen sehen. Der winzige Prozentsatz der Kolumbianer, die ein kriminelles und gewalttätiges Leben führen wollen, vergiftet mit seiner Gewalt und dem Durst nach Macht das Land und macht es unsicher. Ich bin mir dessen durchaus bewusst und passe auf, wo ich mit wem hingehe. Ich kenne die Orte und Wege, die ich abends alleine gehen kann, woanders bekommen mich keine zehn Pferde alleine hin. Man muss die „normalen“ Gebiete kennen, dann kann man dort ein ziemliches sicheres Leben führen.“

 

Nach vorne

Nach vorne schauen!

Party
Es wird gefeiert.

Was also tun als Jugendlicher in dieser Stadt, wenn man in Armut aufwächst und Gewalt den Alltag bestimmt? Abends mal eben raus gehen und sich mit Freunden treffen, ist nicht so einfach möglich, dabei sind die Kolumbianer beim Feiern weltmeisterlich:

„Das Red Juvenil veranstaltete in den letzten Tagen eine große Feier für ein schwer verletztes Mädchen - Sofía, 17 Jahre alt - vom Red Juvenil (s.u.), die bei einem Verkehrsunfall ihr Bein verloren hatte und immer noch im Krankenhaus liegt. Ein schreckliches Ereignis. Doch wie die Leute in diesem so anderen Land mit diesem Schicksalsschlag umgingen, beeindruckte mich schwer – sie feierten eine Party, um von dem Erlös Sofía in ihrer schweren Situation finanziell zu unterstützten. Es war ein rauschendes Fest, auf dem getanzt, getrunken und viel gelacht wurde. Hier wurde kein Trübsal geblasen oder getrauert, sondern nach vorne gesehen und gehandelt – ich wünschte mir, dass das bei uns auch so wäre!“ Sascha Klein aus Medellin, Dezember 2010

 

Aufgeben?

Aufgeben oder doch was verändern?

Sascha und Mitglieder des Red Juvenil
Sascha und Mitglieder des Red Juvenil

Etwas zu ändern, ist nicht gerade leicht, insbesondere in Medellin, wo Jugendliche einen schlechten Ruf haben. Viele werden kriminell, weil sie sonst keine Perspektive haben, andere werden zu Kriminellen erklärt, wenn sie sich einmischen. Arme Jugendliche haben Pech gehabt, reiche Jugendliche halten sich am besten raus. Gleichzeitig wachsen junge Menschen in Kolumbien in einer von Männern dominierten Gesellschaft auf. Als Mädchen oder Frau hat man es schwer, die eigenen  Lebenspläne selbstbestimmt umzusetzen. Männer werden sehr jung zu Opfern und Tätern.

 

Wenn Jugendliche etwas verändern wollen, ist es wichtig, dass sie erkennen, was die Missstände sind und woher diese kommen. Genauso wichtig ist es, Alternativen aufzuzeigen, beziehungsweise sie mit ihnen gemeinsam zu entwickeln. Und nicht zuletzt muss man selbst aktiv werden, um zu einer Veränderung zu kommen.

 

Genau hier setzt das Red Juvenil-Projekt an. Red Juvenil heißt übersetzt „Jugendnetzwerk“ und arbeitet seit 20 Jahren mit Jugendlichen daran, sich gemeinsam gegen Krieg, Gewalt und Perspektivlosigkeit einzusetzen.

 

Dazu reicht es natürlich nicht, sich von Problemen fern zu halten. Deshalb leben die Jugendlichen im Red Juvenil nach der Philosophie der „aktiven Gewaltfreiheit“. Sie mischen sich ein, aber immer mit friedlichen Methoden, da es ja idiotisch wäre, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen, oder?

 

Red Juvenil

Was macht das Red Juvenil genau?

Workshop des Red Juvenil
Workshop des Red Juvenil

Das Jugendnetzwerk bietet Schulungen für die eigenen Mitglieder an, um ihre Leitungskompetenzen zu erweitern, eine Selbstverwaltung zu ermöglichen und um ein kritisches Denken gegenüber bestehenden Strukturen zu stärken. Außerdem organisiert das Red Juvenil  Bildungsprogramme, Workshops und sogenannte „direkte Aktionen“ für und mit Jugendgruppen sowie weiteren Organisationen.

 

Die Organisation besteht aus verschiedenen Kollektiven, denen sich die Mitglieder je nach Interesse und Fähigkeit anschließen können: Da gibt es zunächst einmal die Gruppe der „Verweigerer“, das sind junge Frauen und Männer, die sich aufgrund ihres Gewissens gegen jegliche Form der Teilhabe am Krieg zusammen schließen. Des Weiteren gibt es u.a. noch ein Theaterkollektiv, eine Musikgruppe und eine Frauengruppe. Das Red Juvenil arbeitet jedoch auch dezentral, so betreut es Jugend- und Kindergruppen der „barrios populares“ (Armenviertel), leitet Workshops, organisiert Demonstrationen und Treffen mit der jeweiligen Bevölkerung vor Ort, um beispielsweise Einfluss zu nehmen auf die zu hohen Wasser- und Strompreise.

 

Ein Leitwort von Red Juvenil ist: „Unser Ziel ist die Veränderung der patriarchalischen und kulturellen Praktiken, die eine militärische Kultur legitimieren. Zugleich kritisieren wir das aktuelle politische System und das kolumbianische Wirtschaftmodell.“

Jugend-Kultur

Jugend-Kultur als Widerstand!

Kulturelle und öffentliche Aktionen („accion directa“) führen Zuschauern, Betroffenen und Organisatoren die zahlreichen sozialen Probleme vor Augen und stellen die ungleichen Machtverhältnisse in Frage. Denn der Reichtum Kolumbiens - der Landbesitz und das Wissen – liegen in der Hand einer Minderheit…

Einmal im Jahr organisiert das Red Juvenil im Zentrum Medellins ein großes Konzert gegen den Militarismus: das sogenannte „Antimili Sonoro“ bietet Bands und Zuhörern die Möglichkeit, in Form von Musik und Tanz auf die bestehenden Konflikte und die ungleichen Machtverhältnisse aufmerksam zu machen.

Darüber hinaus initiiert das Jugendnetzwerk jährlich ein großes soziales Forum („foro social“). Innerhalb einer Woche treffen sich dann in Medellin zahlreiche Organisationen und Indigenen-Vertreter nicht nur aus Kolumbien, um beispielsweise über die Probleme der Inlandsvertreibungen, Landnahme oder die Privatisierung des Wassers zu diskutieren. Gemeinsam erarbeitet das Sozialforum Lösungsvorschläge, die anschließend mit einem großen Umzug im Stadtzentrum demonstriert werden. Zentrale Voraussetzungen für jegliche Aktionen sind die absolute Gewaltfreiheit und Kunst als Ausdrucksform des Widerstandes.

 

Mit dieser Form von Jugend-Kultur als gewaltfreiem Widerstand bieten die Jugendlichen eine echte Alternative zum militarisierten Alltag und widerlegen überzeugend die vielen kriminellen Vorurteile, die besonders über Jugendliche aus den unteren Bildungsschichten gepflegt werden…

 

Mehr Infos zur KjG-Partnerschaft mit dem Red Juvenil oder zur Möglichkeit eines  einjährigen Freiwilligendienstes für Frieden und Versöhnung in Medellin gibt es beim Eine-Welt-Arbeitskreis der KjG-Aachen oder bei Mirijam Baumeister. Zurzeit ist Sandra Milena Grisales vom Red Juvenil bei uns in Deutschland und kann euch gerne mehr erzählen.

 © Alle Fotos: KjG-Aachen, Sascha Klein

Text: Red Juvenil, KjG-Aachen, Wilfried Wunden

Videos: Sascha Klein (KjG-Aachen) und Freddy John Cruz Baena (Red Juvenil, Medellin)

 

Ihr wollt das "Red-Juvenil"-Projekt über MISEREOR unterstützen? Super!!!

Hier ist der Spendenkontakt:

 

MISEREOR e.V.

Kontonummer 10 10 10

Pax-Bank eG

BLZ 370 601 93

Kennwort: P70085 - Medellin