Stadt

BEISPIELSTADT UND HOFFNUNG: PHNOM PENH

Flucht und Vertreibung in Phnom Penh

Flash ist Pflicht!
Menschenwürdig leben in Phnom Penh? (c) MISEREOR

Seit mehreren Jahren boomt Phnom Penh und die Preise für Grundstücke in der Innenstadt steigen rasant.

 

Viele Investoren, private Unternehmen und einflussreiche Personen kaufen (teils illegal) Grundstücke, um darauf Hotels, Gewerbegebiete und teuren Wohnraum für die Mittelschicht und Wohlhabende zu bauen.

 

Phnom Penh ist jedoch sehr dicht besiedelt, auf jeder erdenklichen Landfläche wird gewohnt. Die Menschen leben dort schon seit Jahrzehnten, sind jedoch offiziell nicht die Eigentümer „ihres“ Landes, da ihnen nach der Schreckensherrschaft der Roten Khmer (1976-1979) keine offiziellen Landtitel zugesprochen wurden, nachdem die Roten Khmer sämtliche Kataster zerstört hatten. Daher versuchen die Betroffenen nachzuweisen, dass sie einen Nutzungsanspruch auf das Land haben. Ein Gesetz für Landrecht, das es seit 2001 gibt, schützt diesen Anspruch der betroffenen Familien zwar, aber da es systematisch missachtet oder durch Bestechungen außer Kraft gesetzt wird, bietet es keinen praktischen Schutz.

 

So wurden 100 000 Menschen allein in den letzten 10 Jahren aus Phnom Penh in die Außenbezirke ihrer Stadt vertrieben. Dabei ist die Bevölkerung dieser  besiedelten Gebiete auch beruflich auf die Nähe zu ihrer Stadt angewiesen.

 

Weitere 150 000 Menschen sind in Kambodscha von Zwangsumsiedlungen bedroht und die Anzahl der Betroffenen nimmt weiter zu. 

 

Stadt, Rand, Schluss!?

Pfahlbauten im Dämmerlicht
© Pohl MISEREOR

Vertrieben und nicht nur räumlich an den Rand gedrängt, leben die Menschen anschließend unter noch schlechteren Bedingungen als im Zentrum: baumlose Flächen, Hütten aus Bambus und Zeltplanen, die keinen Schutz vor Regen und Sonne bieten.

 

Die vielen Umsieldungscamps verfügen häufig nicht über Schulen oder Krankenhäuser, sie haben keine Wasserver- und -entsorgung. Viele der am Stadtrand Angesiedelten sind arbeitslos oder verdienen sich ihren Unterhalt mit weniger als 1 Dollar pro Tag als Müllsammler.

 

„Wenn ich nur irgendwie nach Phnom Penh kommen könnte“, so die Betroffene Seth Soem, „dort würde ich leicht Arbeit finden.“ Fast 80 Cent kostet die Hin- und Rückfahrt ins Zentrum der Hauptstadt, wo es mehr und besser bezahlte Arbeit gibt. Unerschwinglich für die Vertriebenen.

 

Hilfe durch MISEREOR

Darya mit Motorroller
© Pohl MISEREOR

MISEREOR unterstützt in Phnom Penh gleich mehrere Organisationen, in denen die Bevölkerung selbst aktiv gegen die immer wieder drohende, rechtswidrige Zwangsvertreibung kämpft. Häufig werden die Betroffenen massiv bedroht oder unter einem Vorwand inhaftiert.

 

Ihr gemeinsames Ziel besteht darin, Zwangsräumungen und Wohnrechtsverletzungen zu verhindern sowie die Lebens-, Arbeits- und Wohnbedingungen der betroffenen Familien zu verbessern:

 

Abfallentsorgung, Trinkwasserversorgung und ein Ausbau der Infrastruktur in den Elendsvierteln fördern sie genauso nachhaltig wie die hygienische Situation ihrer Umgebung.

 

Die MISEREOR-Partner informieren die Bewohner der Armenviertel über ihre Rechte und befähigen sie, sich aktiv an den Entwicklungsprogrammen ihrer Umgebung zu beteiligen. So klären sie die bedrohten und betroffenen Menschen über die konkrete Verletzung ihrer Wohnrechte auf und motivieren sie, ihr Landrecht nachdrücklich, aber in jedem Fall gewaltfrei einzufordern.

 

Ein Dachverband, das „NGO Forum on Cambodia“ unterstützt zusätzlich die lokale Arbeit der Nichtregierungsorganisationen und beteiligt sich an der Koordination der Gemeindenetzwerke zum Schutz von Land- und Wohnrechten.

 

Ihr wollt die Menschen in Kambodscha in ihrem Kampf gegen Vertreibung unterstützten?

 

Wir sagen DANKE für eure eigenen oder gesammelten Spenden! Überweist diese bitte an folgende Bankverbindung:

 

MISEREOR e.V.

Kontonummer 10 10 10

Pax-Bank eG

BLZ 370 601 93

Kennwort: P32711 - Kambodscha

  • Schlechtes Karma?

    Landkarte Kambodscha
    Karte: Munzinger

    Kambodscha. Oder vielmehr „Kampuchia“, wie die Einheimischen den Namen ihres Landes aussprechen. Woher er genau kommt, ist bis heute unklar. Viele meinen, dass der Name von „Kambu“ stammt. Dieser brahmanische Heilige hatte einst die himmlische Nymphe Mera geheiratet und mit ihr eine Dynastie gegründet. So erzählen es die Legenden. Kambu gilt deshalb als der Vater der Angkor-Könige und somit als der Ur-Ur-Urahn der Kambodschaner. Zyniker erklären den Namen ihres Landes etwas anders. Sie behaupten, dass Kampuchia aus drei Teilen zusammengesetzt wurde: Aus „kam“; was so viel heißt wie „schlechtes Karma“, aus „puch“, das „Abkunft“ bedeutet, und aus „chia“, das für „gesund sein, gut gehend“ steht. Daraus lässt sich folgender Satz bauen: „Kam muay puch chia“. Also „Schlechtes Karma verfolgt das Leben der gesamten Nachkommen, und es wird nie besser.“

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Das schwere Erbe der Roten Khmer

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Das südostasiatische Land trägt bis heute schwer am Erbe seiner jüngsten Vergangenheit. Dabei wurden die kommunistischen Roten Khmer zunächst jubelnd begrüßt, als sie im April 1975 in der Hauptstadt Phnom Penh einzogen. Doch die Hoffnung auf Frieden in dem vom Vietnamkrieg erschütterten Land sollte sich nicht erfüllen – im Gegenteil: Unter der vierjährigen Gewaltherrschaft der Roten Khmer und ihrem Anführer Pol Pot kamen bis zu zwei Millionen Menschen ums Leben, die Gesellschaftsstrukturen wurden zerstört, wertvolles Wissen aus der jahrhundertealten Kultur der Khmer ging verloren. Nach Enteignungen und einer desaströsen Wirtschafts- und Handelspolitik kam es zu Hungersnöten. Pol Pot, der eine Art Steinzeitkommunismus propagierte, führte regelrecht Krieg gegen das eigene Volk, insbesondere gegen die Intellektuellen. Und so wurde der gebildete Teil der Bevölkerung gnadenlos verfolgt und quasi ausgelöscht. Die aufgebahrten Totenschädel im Killing-Fields-Gedenkzentrum erinnern an die Opfer des Terror- und Folterregimes der Roten Khmer.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • 30 Jahre nach Pol Pot – Schwieriger Wiederaufbau

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Aber auch nach der Pol-Pot-Ära kam das Land nicht zur Ruhe. Ein bis in die 1990er Jahre andauernder Bürgerkrieg führte zur Zerstörung großer Teile Kambodschas. Der Aufbau eines verlässlichen Staats-, Wirtschafts- und Justizsystems war kaum möglich und kommt auch heute nur langsam voran. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von durchschnittlich 806 US-Dollar, ungefähr 635 Euro, zählt Kambodscha nach wie vor zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Erde. In der Entwicklungsstatistik der Vereinten Nationen von 2009 belegt das Land Rang 137 von insgesamt 182 Plätzen. Mehr als ein Drittel der insgesamt 14,5 Millionen Kambodschaner lebt unterhalb der nationalen Armutsgrenze, die große Mehrheit davon auf dem Land. Noch immer sind 45 % der Kinder chronisch unterernährt. Nach einem deutlichen Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren zeigen sich nun auch in Kambodscha die Folgen der globalen Finanzkrise.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Die Rückkehr der Besitzlosen

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Die Gewaltmaßnahmen der Roten Khmer trafen die Menschen in den Städten besonders hart. Denn städtisches Leben passte nicht zur Vision eines Bauernstaates. Und so wurden bei der Machtübernahme im April 1975 Hunderttausende hinaus aufs Land vertrieben, wo sie unter schwierigsten Bedingungen Arbeitsdienste leisten mussten. In nicht einmal zwei Tagen war Phnom Penh komplett entvölkert. Als die Menschen nach dem Ende des Terrorregimes in die Städte zurückkehrten, standen sie buchstäblich vor dem Nichts. Die Bausubstanz der Häuser war verfallen, die Infrastruktur zerstört. Die Besitzverhältnisse waren unklar, da die Roten Khmer Grundbucheintragungen und Katastergrundlagen vernichtet hatten.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Nach dem Steinzeitkommunismus – Armut in den Städten

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Weil kaum jemand Papiere in der Hand hatte, die ihn als Besitzer einer Immobilie auswiesen, wurden die Häuser nach dem Recht des Stärkeren und Schnelleren eingenommen. Wer zuerst da war, sicherte sich eine Wohnung in den besser erhaltenen Vierteln, wer später kam, musste sich mit dem Wohnraum zufrieden geben, der übrig blieb. Und so siedelten die Menschen in verlassenen Fabriken, in der Nähe von oder auf Müllhalden, auf Hausdächern oder in den Schwemmgebieten der Flüsse. Viele wohnen dort noch heute. Ihre Situation hat sich kaum verbessert. Schätzungen zufolge „leben“ fast 40 % der Bewohner Phnom Penhs unter solch menschenunwürdigen Bedingungen – meist von weniger als einem Dollar am Tag. 90 % verfügen über keinen Abwasseranschluss, über 60% haben keine Toilette und keine Trinkwasserversorgung.Text: Nina Brodbeck 

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Keine Kinoträume, sondern bittere Realität

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Familie Heng hat sich so gut es geht in einem ehemaligen Kino eingerichtet. Das „Hemak Cheat“ liegt mitten im Touristenviertel von Phnom Penh, nur ein paar Gehminuten von schicken Restaurants und Bars entfernt. Wer die Fassade betrachtet, ahnt nicht, dass dahinter 109 Familien unter ärmsten Bedingungen leben. Großmutter Chanpum Heng kam einige Jahre nach dem Ende des Pol-Pot-Regimes mit ihrem Mann nach Phnom Penh. Ihre Kinder wurden hier geboren, später die Enkelkinder. Und so wohnen dort, wo früher wohl der Projektorraum war, drei Generationen, insgesamt 11 Menschen, in bedrückender Enge. Den ehemaligen Kinosaal haben sich andere Familien untereinander aufgeteilt. Der schmale Gang, der an ihren Verschlägen vorbeiführt, ist übersät mit Müll und glänzt feucht vom Abwasser.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Ein Traumhaus im Elend

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Auch auf dem Dach des Kinos leben Menschen. Rohe Wände, Böden aus Baustellenholz, als Dach dient Wellblech – fertig ist das Zuhause für eine fünfköpfige Familie. Für mehr reicht hier oben das Geld nicht. Hilfe für die Menschen im Hemak Cheat Kino kommt vom MISEREOR-Projektpartner „Sahmakum Teang Tnaut“ (STT). Ausbau der Infrastruktur, Befestigung der Zugangswege, Trinkwasser- und Abwasserleitungen: Mit einfachen, aber wirksamen Mitteln will STT die Lebensbedingungen der Menschen verbessern und ihnen ein würdevolleres Leben ermöglichen. „Wenn die Bewohner mithelfen, kann man schon mit wenig viel erreichen“, ist Meas Kim Seng von STT überzeugt. SST hat die Dachbewohner des Kinos nun darin unterstützt, eine Toilette zu bauen. Solide steht sie da, inmitten der fragilen Hüttchen. Die Wände ziert eine ungelenke Zeichnung: Ein buntes Haus unter Bäumen mit Brunnen und Blumen – ein Kindertraum vom Wohnen in Würde.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Frauenpower

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Auch Sina Kou und ihre Kollegen vom MISEREOR-Projektpartner „Urban Poor Women Development“ (UPWD) versuchen, die Not der Menschen in den Armenvierteln der Stadt zu lindern. Kern ihrer Arbeit ist die Gemeinschaftsbildung. Dahinter steht die Überlegung: Wer sich mit Gleichgesinnten zusammentut, kann mehr erreichen. Und so haben einige Frauen Spargruppen gegründet; und von UPDW ausgebildete Gruppenleiterinnen geben ihren Nachbarinnen Kurse in Gesundheitsvorsorge, Müllentsorgung und Ernährungssicherung. In den Frauengruppen können auch sensible Themen wie Familienplanung, häusliche Gewalt und Frauenrechte angesprochen und diskutiert werden. „Wichtig ist, die Frauen zu mobilisieren, dass sie selbst aktiv werden und Selbstbewusstsein entwickeln“, sagt Sina Kou. „Dass sie eigenes Geld verdienen, für ihre Kinder sorgen und ihre Lebensbedingungen und Wohnverhältnisse verbessern können.“

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Den Zusammenhalt verbessern

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Das Engagement der Frauen wirkt sich meist sehr positiv auf das gesamte Gemeinschaftsleben in den Vierteln aus. Im Distrikt Russeykeo zum Beispiel leben 47 Familien in einem ehemaligen Elektrizitätswerk. Seit UPDW 1998 mit den Frauen dort zu arbeiten begann, hat sich viel getan: Der Zusammenhalt im Viertel hat sich verbessert, es wurde eine Gesundheitshelferin ausgebildet und eine Gesundheitsstation eingerichtet, einige Bewohner gründeten Spar- und Selbsthilfegruppen. Um die Bildung der Kinder zu verbessern wurde ein „Child Club“ ins Leben gerufen. Außerdem haben alle gemeinsam angepackt und die vormals sandigen Wege mit Platten ausgelegt.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Angst vor Vertreibung

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Mit jeder neuen Straße, die sie bauen, mit jedem Dach, das sie ausbessern, mit jeder Wand, die sie verstärken, schaffen sich die Menschen in den Ansiedlungen von Phnom Penh ein menschenwürdigeres Zuhause. Ein Zuhause, das sie mit persönlichen Dingen verschönern, mit Fotos von der Familie, mit Bildern. Doch dieses Zuhause ist gefährdet. Die Menschen in den Armenvierteln haben Angst. Angst, dass die Werte, die sie sich im Lauf der Jahre geschaffen haben, binnen weniger Stunden dem Erdboden gleichgemacht werden und sie von dem Land, auf dem sie zum Teil seit Jahrzehnten siedeln, gewaltsam vertrieben werden.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Land im Ausverkauf

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Ihre Befürchtungen sind berechtigt, denn Investoren aus dem In- und Ausland interessieren sich sehr für Grundstücke in Phnom Penh. Das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre bescherte der Hauptstadt einen spekulativen Bauboom. Überall werden Infrastrukturprojekte geplant und umgesetzt, entstehen Gewerbegebiete, Hotels und Wohnraum für die kaufkräftige Mittelschicht. Land zählt längst zu den wichtigsten Handelsgütern Kambodschas, und der Verkauf von Grundstücken füllt die klamme Kasse von Kommunen - und häufig die von korrupten Politikern. Auch bereits seit Jahrzehnten besiedelte Landflächen werden aus diesem Grund verkauft. Diese Landkäufe sind häufig spekulativ: Die auf dem Land siedelnden Menschen werden vertrieben. Danach liegt das Land oft jahrelang brach.Text: Nina Brodbeck 

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Kein Recht auf Wohnen?

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Solche spekulativen Landkäufe und -verkäufe lassen sich derzeit noch leicht abwickeln. Es gibt kaum Landtitel, weil die Roten Khmer Dokumente über Privatbesitz und Katasterwesen vernichtet haben. Deshalb müssen die Besitzverhältnisse und die Ansprüche auf Land mühsam neu geklärt werden. Immerhin gibt es seit 2001 ein gültiges Landrecht. Es sieht ein Nutzungsrecht für diejenigen vor, die länger als fünf Jahre auf öffentlichem Staatsland siedeln. Allerdings wird dieses Landrecht häufig missachtet oder korrumpiert. Die MISEREOR-Partnerorganisationen gehen davon aus, dass seit dem Jahr 2000 mehr als 100.000 Menschen aus Phnom Penh vertrieben wurden. Mindestens 150.000 Kambodschaner leben in permanenter Angst vor Zwangsräumung und Vertreibung. Diese Vertreibungspraxis ist illegal. Auf diesem Hintergrund setzen sich die MISEREOR-Partner dafür ein, dass das geltende Landrecht auch wirklich angewendet wird.

     

    Text: Nina Brodbeck 

  • Ein Haus auf Stelzen

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Kolap Shoy ist 55 Jahre alt, sie hat fünf Töchter und einen Sohn. Ihr Mann ist Tuk-Tuk-Fahrer, sie selbst hat einen winzigen Laden. Kolap lebt mit ihrer Familie in einem traditionellen kambodschanischen Holzhaus, das auf Stelzen über dem Boeung Kak See in Phnom Penh steht. Die Familie teilt sich einen Raum, die Nachbarn wohnen nur eine dünne Bretterwand entfernt. Der Steg, an dem die Häuser liegen, ist morsch und gleicht einem Flickenteppich. Ein Abwassersystem gibt es nicht, alles wird in den See entsorgt. Das Wasser ist braungrün und stinkt entsetzlich, überall schwimmt Unrat. Alles andere als ein Idyll. Doch die Shoys wollen hier, in ihrem Dorf Nr. 6, am Boeung Kak See wohnen bleiben. Denn das Viertel liegt zentral, es gibt Arbeitsmöglichkeiten, und die Kinder haben es nicht weit zur Schule.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Gute Lebensbedingungen – ein Menschenrecht

    © Ulrich Dornberg
    © Ulrich Dornberg

    Arbeit, Bildung, ein Dach über dem Kopf: All das ist nun in Gefahr. Denn die Shoys sollen ihr Haus räumen. Shukaku, eine inländische Firma mit engen Verbindungen zu lokalen Politikern und chinesischen Bauunternehmern, hat die Fläche des Sees und das umliegende Gebiet, über 135 Hektar, für 99 Jahre vom Staat gepachtet. Somit hat Shukaku das fragwürdige Recht, den See zuzuschütten und auf der gewonnenen Landfläche Häuser, Vergnügungszentren und Hotels zu errichten. Bereits im August 2008 hat die Firma damit begonnen, Sand in den See zu pumpen, obwohl die Zukunft der insgesamt 4252 Familien, die am See leben, nicht geklärt war und ist. Und so steigt täglich der Wasserspiegel. Immer mehr Familien sind gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. Kolap Shoy befürchtet, dass sie hier in Dorf Nr. 6 die nächsten sein werden. „Was hier passiert, ist eine Schande“, sagt sie. „Denn gute Lebensbedingungen zu haben ist doch ein Menschenrecht!"

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Traurige Tatsachen und leere Versprechungen

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Mit dem Zuschütten des Sees schafft Shukaku Tatsachen und zwingt die Leute so dazu, jede Abfindung zu akzeptieren – und sei sie auch noch so gering. Den Bewohnern, die ihre Häuser einst gekauft haben, werden drei Möglichkeiten der Kompensation in Aussicht gestellt: Eine einmalige finanzielle Ausgleichszahlung von 8.500 Dollar - lächerlich wenig angesichts der Immobilienpreise in Phnom Penh -, ein Haus in einem mehr als 20 Kilometer weit entfernten Stadtteil, oder ein so genanntes Landteilungsprojekt. Hier würde Shukaku auf einem Teil des gepachteten Landes Wohnungen für diejenigen bauen, die freiwillig ihre Häuser räumen. Doch Kolap Shoy ist nicht überzeugt. Konkrete Planungen sind nicht bekannt. Zudem weiß sie um das Schicksal anderer ehemaliger Seebewohner, die schon vertrieben wurden, keine Entschädigung bekamen oder in weit entfernten Siedlungen leben.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Endstation Stadtrand

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Eine baumlose Fläche, schiefe Hütten aus geflochtenem Bambus, Zeltplanen aus Plastik, Matsch, Schmutz, Hoffnungslosigkeit: Was viele erwartet, die tatsächlich an Orte außerhalb der Stadt umgesiedelt wurden, lässt sich in Dannak Tra Young besichtigen. 180 Familien leben hier im Nirgendwo, ohne Gesundheitsversorgung, ohne Strom, ohne Wasser. Auch Soem Seth lebt mit seiner Frau und zwei Kindern hier. Auf der Parzelle, die ihm die Behörden als Entschädigung zugewiesen haben, hat er ein „Haus“ gebaut. Eigentlich sind es nur ein paar zusammengenagelte Bretter, die ihn und seine Familie kaum vor Regen oder neugierigen Blicken schützen. Privatheit ist ein Fremdwort hier. Manchmal findet Sehts Frau Savy Arbeit bei den Bauern des nahe gelegenen Dorfes. 1,20 Euro bekommt sie fürs Reissetzen. „Wenn ich nur irgendwie nach Phnom Penh kommen könnte“, sagt Seth Soem. „Dort würde ich leicht Arbeit finden.“ 2000 Riel, fast 40 Cent, kostet eine Fahrt in die Hauptstadt, und 2000 Riel kostet der Rückweg. Unerschwinglich für die Vertriebenen von Dannak Tra Young.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Hilfe für die Vertriebenen

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Es gibt gleich mehrere MISEREOR-Projektpartner, die den Bewohnern der Armensiedlungen bei Landrechtskonflikten den Rücken stärken und versuchen, rechtswidrige Vertreibungen abzuwenden. Gemeinsam mit den Betroffenen setzen sich dafür ein, dass die Bestimmungen des Landrechts von 2001 auch wirklich umgesetzt werden und dass das Nutzungsrecht für diejenigen, die dort seit mehr als fünf Jahren siedeln, eingehalten wird. Sie bringen die Fälle rechtswidriger Vertreibung in die Öffentlichkeit und setzen sich so für die Einhaltung der Menschenrechte ein.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Sichtbar werden

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Um vor rechtswidrigen Vertreibungen besser geschützt zu sein und um Landtitel einfordern zu können, müssen die Menschen in den Armenvierteln der Stadt zunächst einmal „sichtbar“ werden. Denn obwohl viele schon seit Jahren in ihrem Viertel wohnen, tauchen sie in keinem offiziellen Dokument auf, das sie als Besitzer ihrer Häuser ausweist. Einen wichtigen Beitrag zum Sichtbarwerden leistet die Kartierungsarbeit von SST, denn so kann nachgewiesen werden, wie lange die Menschen schon dort leben und dass sie laut Landrecht von 2001 ein Nutzungsrecht haben. So ist ein Kartierungsteam von STT überall in den Armenvierteln von Phnom Penh unterwegs, befragt die Bewohner nach ihren Lebensumständen und den Besitzverhältnissen und erstellt informelle Katasterpläne. Auch Cheang Meng, Panha Kuy und Somol Sek helfen bei dieser Kartierung. Die drei jungen Männer studieren in Phnom Penh und engagieren sich gleichzeitig beim Misereor-Projektpartner STT.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Leben am Preak Takong See

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Heute sind Cheang Meng und seine Kollegen am Preak Takong See unterwegs. Dieser See liegt etwa sieben Kilometer außerhalb des Stadtzentrums und ist so etwas wie Phnom Penhs Abwassersammelbecken. Umso unverständlicher ist es, dass für das Gebiet des Sees offenbar ähnliche Pläne existieren wie für den Boeung Kak See. Auch hier hat ein Investor das Land von der Stadt gepachtet, um Häuser zu bauen. Auch hier soll der See zugeschüttet werden. Auch hier leben hunderte Menschen in ständiger Angst vor Vertreibung.?Insgesamt wohnen 320 Familien am Preak Takong See. Viele der Frauen arbeiten als Obstverkäuferinnen oder haben kleine Lebensmittelläden; die Männer arbeiten auf dem Bau oder sind bei der Stadt angestellt. Die Ärmeren bestreiten ihren Lebensunterhalt meist mit dem Verkauf von Wasserspinat, den sie auf dem durch das Abwasser gut gedüngten See anbauen.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Acht wackelige Hüttchen

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Wer in das Viertel gelangen möchte, muss von der Hauptstraße auf eine sandige Piste abbiegen. Je mehr man sich dem Seeufer nähert, desto ärmlicher werden die Häuser. Am Ende sind es nur mehr armselige Hüttchen, die wie windzerzauste Krähennester auf wackligen Stelzen stehen. Gerade hat die Regenzeit begonnen. In ein paar Wochen wird alles hier überflutet sein. Dann sind die Häuser nur noch mit dem Boot erreichbar.?Cheang Meng zeigt einen Plan, auf dem die acht Hütten direkt am See als kleine Quadrate eingezeichnet sind. Fünf von ihnen sind neongelb markiert. Dort hat er seine Befragung bereits durchgeführt, bei zwei Familien braucht er noch ein paar Angaben, und die Nummer 86, die fehlt ihm noch komplett. Da wird er nun hingehen und den Fragebogen gemeinsam mit den Bewohnern ausfüllen.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Elf Menschen unter einem Dach

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Seine Befragung ergibt: Das Haus in Quadrat 86 haben Savly Choem und ihr Mann vor zehn Jahren gekauft. Sie mussten hierher an den See ziehen, weil sich Savlys Mann verschuldet hatte und sie ihr Haus in einem besseren Stadtviertel verkaufen mussten. Eine öffentliche Wasserleitung gibt es genauso wenig wie einen Anschluss ans öffentliche Stromnetz. ?Savly verdient sich ihren Lebensunterhalt mit dem Sammeln von Wasserspinat. Da sie kein Geld hat, um eine eigenes Feld zu pachten, muss sie das pflücken, was am Wegesrand wächst. Ihr Mann fischt. An guten Tagen kommen 4 Dollar zusammen – für eine fünfköpfige Familie. Außer ihr wohnen noch ihr Bruder und seine Familie hier und eine Cousine mit Kind und Kegel – insgesamt 11 Personen, die sich einen einzigen Raum teilen.

     

    Text: Nina Brodbeck

  • Ein Fahrrad als wertvollster Besitzv

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Cheang notiert außerdem, welche „Besitztümer“ die Familie hat. Einen Fernseher? Cheang malt eine Null in seinen Fragebogen. Auch hinter das Wort Radio kommt eine Null, ebenso hinter die Fragen nach Schweinen, Hühnern und Enten. Nur bei Fahrrad, da schreibt er eine Eins hin. Als sich Cheang später auf den Weg zum nächsten Haus macht, ist er sehr nachdenklich. „Am Anfang war ich richtig geschockt, als ich gesehen habe, wie groß die Armut hier ist“, erinnert er sich. Dann fügt er hinzu: „Ich bin sehr froh, dass ich den Menschen hier helfen kann, einen Landtitel zu bekommen.“ Damit, so hofft er, kommt vielleicht Hoffnung und ein wenig Sicherheit in ihr Leben.

     

    Text: Nina Brodbeck 

  • Menschenwürdig leben! Überall!

    © Pohl MISEREOR
    © Pohl MISEREOR

    Neben den Choems wohnt der 11jährige Rotah. Das Plakat der diesjährigen Fastenaktion trägt sein Gesicht. Dem Fotografen Achim Pohl ist der Junge sofort aufgefallen, als er im vergangenen Sommer in Phnom Penh unterwegs war, um geeignete „Models“ für das Plakat zu finden. Es sollten Menschen sein, die sich ihre von Gott gegebene Menschenwürde bewahren konnten, trotz der schwierigen Bedingungen, in denen sie leben. „Mir hat imponiert, dass Rotah gleich neugierig herankam und wissen wollte, was wir hier machen und sich nicht von der Kamera einschüchtern ließ“, erinnert sich Achim Pohl. Rotah ist auch sofort bereit, sich für das Plakat fotografieren zu lassen. Doch bevor es losgehen kann, zieht er sich ein Hemd über sein löchriges T-Shirt und knöpft es sorgfältig zu. Das Hemd ist sauber, gebügelt und das Beste, das Rotah besitzt.

     

    Text: Nina Brodbeck

Das Fotoalbum zum Downloaden

Bilderreihe_Kambodscha.pdf

4.1 M